Arge Ja zur Umwelt, Nein 
zur Atomenergie



Störfälle in Atomkraftwerken - Ausstieg aus der Atomenergie

Ein Notstromaggregat entfernt vom Supergau:

Atomares Roulette - wie lange noch?

So zahlreich sind die Meldungen über Störfälle in Atomkraftwerken, daß sich niemand mehr besonders darüber aufzuregen scheint. Wenn nicht gerade Tote zu beklagen sind, wie erst jetzt wieder bei einem Unfall in einem japanischen AKW, folgen die Beschwichtigungen der Betreiber, daß es sich nur um minimale Pannen gehandelt habe und ohnehin "alles im Griff" sei. Rasch verschwindet die Sache wieder aus dem medialen Scheinwerferlicht, denn Tschernobyl ist ja schon so lange her. Nur manchmal sickert im Nachhinein durch, WIE KNAPP wir der Katastrophe entgangen sind.

So zum Beispiel im Februar dieses Jahres im Falle eines der angeblich so sicheren deutschen AKW. Durch ein Unwetter war die öffentliche Stromversorgung ausgefallen, und im Kraftwerk Biblis B kam es zu einer Serie von Pannen. Es kam zu einer Notabschaltung des Reaktors. Da es auch nach der Abschaltung eines Reaktors zu einer enormen Hitzeproduktion durch die abebbende Kettenreaktion kommt, muß die Hitze über ein Kühlsystem abgeleitet werden, sonst beginnt nach ca. einer Stunde der Reaktorkern zu schmelzen. Da der Reaktor keinen Strom mehr produziert, muß die Funktion des Kühlsystems durch eine eigene Stromversorgung sichergestellt werden. Im Fall Biblis versagten insgesamt vier Stromversorgungssysteme, um die Pumpen der Kühlsysteme in Gang zu setzen. Hätte auch noch das fünfte System versagt, dann wäre es mit großer Wahrscheinlichkeit zum Super-GAU gekommen1.

Die IPPNW (Internationale Vereinigung von Ärzten für die Verhütung des Atomkriegs) wird nun versuchen, den Atomkraftwerksblock Biblis B wegen der zahlreichen schweren Sicherheitsdefizite auf dem Klageweg stillzulegen. Nach deutscher Rechtsprechung ist der Betrieb von Atomkraftwerken verfassungswidrig, wenn diese nicht dem aktuellen "Stand von Wissenschaft und Technik" entsprechen.

Steuerzahler sponsort Atomkraftwerke: EU genehmigt Milliarden - Subventionen für britische AKWs

Die große Geld-Umverteilungsmaschine

Vor zwei Jahren machte der Bankrott des britischen Energieriesen und Atomstromproduzenten "British Energy" Schlagzeilen. Die Regierung bzw. die Steuerzahler finanzieren den Weiterbetrieb derzeit mit einem 2 Millionen Pfund -Kredit, um sich die Milliarden Pfund teure Stilllegung der 8 Atomkraftwerke des privaten Konzerns zu ersparen. Ohne eine Haftungsübernahme für diesen Fall hätte die Regierung das vormals staatliche Unternehmen nämlich nie verkaufen können. Die EU genehmigte diese Staatshilfe für ein privates Unternehmen unter der Bedingung der Ausarbeitung eines Restrukturierungsplans. Dieser würde allerdings wiederum Kosten von mehreren Milliarden Pfund verursachen, die auf Kosten des Steuerzahlers in die marode Atomindustrie investiert würden. Geld, das dann anderswo fehlt, zum Beispiel für den dringend nötigen Ausbau der erneuerbaren Energien.

In diesem Sinne wird begreiflich, daß hier eine gewaltige Geldumleitungsmaschine am Werk ist: über die Rieseninvestitionen in die Atomtechnik in Europa, besonders auch über das EURATOM-Geld, werden die Strukturen des großindustriell-militärischen Machtkomplexes mit Steuergeld weiter gestärkt. Eine weitere Eigenschaft der Atomenergie ist, daß sie als Großtechnik auch nur von Großindustrien (Siemens, Frâmatome, Westinghouse...) produziert werden kann, wodurch der größte Teil des Geldes "in der Familie" bleibt. Die riesigen Investitionssummen solcher Projekte führen außerdem zu einer Unüberschaubarkeit, die zu satten Provisionen und Abzweigungen von Steuergeldern in politisch genehme Taschen bestens geeignet ist 2). Wie sich am englischen Beispiel gezeigt hat, ist es dabei gleichgültig, ob der Staat oder Private die Betreiber sind - wenn finanziell etwas schief läuft, muß der Staat auf jeden Fall einspringen, denn ein AKW ist ja keine normale Fabrik, die man einfach verfallen lassen kann.

Daher wundert es nicht, daß Premierminister Tony Blair heute ungeachtet des ungelösten Problems mit British Energy sogar eine Kernkraft-Renaissance für Großbritannien in Erwägung zieht. Seine Begründung dafür ist, daß der globalen Erwärmung entgegengetreten werden müsse. Blair ließ allerdings erkennen, daß er besonders von der USA in diese Richtung gedrängt werde 3).

Das ist wirklich interessant, denn die USA hat sich ja bisher jeder Maßnahme zum Klimaschutz - wie dem Kyoto-Protokoll - hartnäckig widersetzt. Abgesehen davon, daß es weit bessere, sicherere und kostengünstigere Alternativen zum Klimaschutz gibt als die Atomenergie, ist es doch faszinierend, daß Klimaschutz ausgerechnet dann für die USA interessant wird, wenn die Atomenergie als Mittel dazu verkauft werden kann.

Zusammenhang Atomwaffen Atomkraftwerke

Keine Nuklearwaffen ohne Atomkraftwerke

Die Atomkrafttechnik ist aus einer militärischen Anwendung, der Erforschung und Produktion von Atomwaffen, entstanden. Atomkraftwerke produzieren kontinuierlich radioaktives Material, das als Ausgangsmaterial für die Produktion von Nuklearwaffen verwendet werden kann. Nach einem Betriebsjahr produziert ein AKW eine Menge radioaktiven Materials, die dem 1000-fachen der Hiroshima-Bombe entspricht. Schon die Abfallstoffe aus dem Uranbergbau können für die berüchtigte DU-Munition (Geschosse mit abgereichertem Uran) verwendet werden, die im Jugoslawien-Krieg und in den Golf-Kriegen reichlich eingesetzt wurde. Schon deshalb werden Mächte, die auf Atomwaffen als ultimative militärische Abschreckung setzen, IMMER auf der Atomenergie als dem zivilen Deckmäntelchen ganz anderer Interessen bestehen.

Risiko Gau, Ausstieg aus der Atomenergie, erneuerbare Energien statt Atomkraft, Atommüll, Endlagerung, Sonnenenergie

Die USA haben ja angekündigt, daß sie nun eine neue Generation von Atomwaffen, unter anderem mit dem so spielzeughaft klingenden Namen "Mini-Nukes" zu entwickeln und einzusetzen bereit sind, auch in sogenannten "Präventivschlägen", allen Abrüstungsbemühungen und dem Atomwaffensperrvertrag zum Hohn. Im vergangenen Dezember bewilligte der US-Kongreß allein für das Jahr 2004 6,3 Milliarden Dollar für die Entwicklung dieser neuen Generation "defensiver" Nuklearwaffen. Der Frieden für die Rohstoffplünderer muß gesichert werden, und "Verteidigung" ist angesagt gegenüber jenen, die das Erzwingen des totalen "freien" Marktes unter amerikanischer Vorherrschaft nicht einfach hinnehmen wollen. Die neue US-Nuklearpolitik beteiligt die großen Verteidigungskonzerne auch ganz explizit an den Entscheidungen, was Tendenz zu einer Privatisierung der Kriegsführung weiter verstärkt. So kommt es zu einer gefährlichen Verbindung von politischer, militärischer und wirtschaftlicher Macht.

Der Irak wurde von den USA wegen angeblicher Massenvernichtungswaffen brutal bombardiert, aber jener Staat, der als erster und einziger Atombomben gezielt gegen Menschen eingesetzt hat (1945 auf Hiroshima und Nagasaki mit hunderttausenden Toten und Strahlenkranken bis in die Gegenwart) bekennt sich weiterhin schamlos zu ihrer Verwendung!

Höhere Rüstungsausgaben

Ein Land mit atomarer Energieversorgung ist verletzlich gegenüber Angreifern, gleich ob dies feindliche Staaten oder Terroristen sind. Das allein rechtfertigt schon eine ENTSPRECHENDE HOCHRÜSTUNG IM EIGENEN LAND. Schon in den 80er Jahren kam eine nicht veröffentlichte Studie des US-Verteidigungsministeriums zu dem Schluß, daß ein Umstieg von der atomaren auf die dezentralen erneuerbaren Energien AUS SICHERHEITSGRÜNDEN ALLEIN schon zu empfehlen sei- fernab aller ökologischen Erwägungen 4). Doch was gut für das Land, ist noch lange nicht gut für den Machterhalt. Mit der Terrorangst läßt sich wunderbar politischer Druck ausüben, die Bürger lassen sich zu teuren Budgets für Rüstung erpressen, wodurch Geld, das in anderen Bereichen dringend benötigt würde, abgezogen wird. Außerdem lassen sich im Namen der "Terrorismusvorbeugung" Maßnahmen penetranter Staatskontrolle und Aufgabe von bürgerlichen Freiheiten durchsetzen, die sonst undenkbar gewesen wären.

Eine Million Jahre Gefahr für die Umwelt

Ob die Atomenergie sich zum Klimaschutz eignet, ist mehr als zweifelhaft. Der Verbrauch einer Kilowattstunde Atomstroms führt zur Abgabe fast der doppelten Energiemenge in Form von Wärme an die Umwelt (sichtbar an den mächtigen Dunstwolken, die aus den Kühltürmen steigen) und zusätzlich wird eine halbe kWh an Radioaktivität erzeugt. Radioaktivität ist extrem lebensfeindlich. Die gleiche Energiemenge, die in Form von Wärme, etwa beim Trinken einer Tasse Tee, im Körper Wohlbehagen erzeugt, ist in Form von Radioaktivität absolut tödlich, kann aber mit menschlichen Sinnen nicht wahrgenommen werden. Radioaktivität "ist nicht umzubringen", das heißt, sie kann durch physikalische oder chemische Prozesse nicht beeinflusst werden. Verbrennt man einen radioaktiven Stoff, so bleibt die Strahlung unverändert und ungemindert in der Asche oder den Verbrennungsgasen. Dieser gefährliche Abfall muß nicht nur für eine Million Jahre wegen seiner Strahlung von der Umwelt abgeschirmt werden, sondern es muß auch sichergestellt werden, daß er nicht in die falschen Hände gerät! Bis heute ist für dieses Problem keine auch nur irgendwie befriedigende Lösung gefunden worden.
Für einen möglichst raschem Ausstieg aus der Atomenergie aufzutreten, ist daher nicht nur eine Notwendigkeit im Sinne des Umwelt- und Gesundheitsschutz, sondern auch die Voraussetzung für eine Zukunft in Frieden und Freiheit.


Christiane Schmutterer
Atomausstieg jetzt - Erneuerbare Energien statt Atomenergie


1 Henrik Paulitz vom IPPNW auf dem Kongreß "Atomenergie und Atomwaffen in einer instabilen Welt" in Berlin, 8./9.5.2004
2 Ausführliche Beschreibung solcher Praktiken am Beispiel der Slowakei im spannenden Artikel ”Die Atomkraft -eine Sackgasse” von Lubica Turbínová in:
Ost-West-Info 12/2002, Graz
3 Frankfurter Rundschau online 8.7.04)
4 H. Scheer, Sonnenzeitung 1/02 S. 44

(Christiane Schmutterer, Neue Argumente 101, August 2004)

Mehr zum Thema:

Das Ende der Euphorie: Die wahren Kosten von Atomkraftwerken
Die in den Medien ausgerufene “Renaissance der Atomenergie” könnte an den exorbitanten Kosten scheitern. Atomstrom ist rein wirtschaftlich betrachtet eine der teuersten Energieformen.
(Neue Argumente 113, November 2009)

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