Arge Ja zur Umwelt, Nein zur Atomenergie



Laufzeitverlängerung deutscher Atomkraftwerke blockiert die Netze für den Ausbau erneuerbarer Energien

Das Imperium schlägt zurück

Eine Verlängerung der Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke würde sinnlos einen Systemkonflikt zwischen Öko– und Atomstrom provozieren

Die Entwicklung der erneuerbaren Energien in Deutschland war bisher eine Erfolgsgeschichte, die es weltweit zu einem Vorbild gemacht hat. Noch im Jahr 1990 lag der Anteil der Erneuerbaren an der Stromerzeugung bei 3,1%. Im folgenden Jahrzehnt verdoppelte sich dieser Anteil auf 6,4%. Im heurigen Jahr wird ein Anteil von 19% erreicht, was einer sensationellen Verdreifachung innerhalb eines Jahrzehnts entspricht. Verantwortlich für diese rasante Entwicklung ist vor allem das 2004 in Kraft getretene Erneubare-Energiegesetz, mit dem günstige Einspeiseregelungen für Erzeuger geschaffen wurden. Eine Folge war, daß hunderttausende neue Arbeitsplätze in aufstrebenden Unternehmen geschaffen wurden. Berechnungen für die Solarbranche ergaben, daß die Unternehmen in Summe mehr Steuern zahlten, als die Fördertarife den Staat gekostet hatten1- also ein echtes Erfolgsrezept. Man kann sich leicht ausrechnen, daß bei einer Fortsetzung dieser Entwicklung der Tag nicht mehr fern wäre, da das Land eine 100%ige Stromversorgung aus erneuerbaren Energiequellen erreicht hätte.

Aber es darf nicht sein, was so schön sein KÖNNTE – denn so einfach geben sich die bisherigen Granden und Monopolisten der fossil-atomaren Energieerzeugung nicht geschlagen. Der von der deutschen Regierung angekündigte Ausstieg aus dem Atom-Ausstieg, bzw. die Verlängerung der Laufzeiten der ohnehin schon überalterten Atomkraftwerke um nochmals durchschnittlich 12 Jahre, gekoppelt mit einer Politik der Begrenzung des Ausbaus der Erneuerbaren, provoziert ohne Not einen massiven wirtschaftlichen Konflikt zwischen Öko– und Atomstrom: das Imperium schlägt zurück.

Systemkonflikt zwischen Großkraftwerken und Erneuerbaren Energien

Der rasche Ausbau der erneuerbaren Energien, von denen einige von ihrer Natur her variabel in der Verfügbarkeit sind (Wind, Wasser, Sonne), schafft den Bedarf nach flexibel regulierbaren Energiequellen, wo je nach Bedarf Kraftwerke dazu- oder abgeschaltet werden können. Genau das können Atomkraftwerke am wenigsten: sie schicken 24 Stunden am Tag die gleiche Riesenmenge Energie ins Netz, gleich, ob diese benötigt wird oder nicht. Einige Anlagentypen können ihre Leistung bis auf 50-60% drosseln, sonst müssen sie ganz heruntergefahren werden. Diese schwere Regulierbarkeit macht sie für ein Stromnetz mit steigendem Anteil erneuerbarer Energien höchst problematisch.

Da bei einem weitergehenden Ausbau der Ökoenergie Sonne und Wind immer häufiger die komplette Stromnachfrage decken würden, und diese Energien derzeit gesetzlich vorrangig behandelt werden, müßten Atommeiler immer öfter vom Netz geschaltet werden. Das würde die Betreiber Milliarden kosten, und es ist anzunehmen, daß der nächste Schritt darin bestehen könnte, diesen Vorrang anzufechten, damit der Atomstrom im Netz endgültig den aus erneuerbaren Energiequellen blockiert.

Ein hoch profitabler Vertragsbruch

Am 14. Juni 2000 haben die deutschen Atomenergie-Betreiber mit der Regierung eine Vereinbarung über den Atomausstieg und die damit einzuleitenden Maßnahmen unterschrieben. Diese Vereinbarung wurde vom damaligen Wirtschaftsminister Werner Müller als „öffentlich-rechtlicher Vertrag“ charakterisiert. Hermann Scheer hat aufgezeigt, daß die Bundesregierung in diesem Vertrag den Atombetreibern gewissermaßen als Kompensation für die Zusage über die mittelfristige Stilllegung der Kraftwerke massive finanzielle Vorteile gewährt oder bestehende bestätigt hat. Diese Vorteile waren:

Dadurch dürfte den Betreibern in den letzten 10 Jahren ein finanzieller Vorteil von über 60 Milliarden Euro (Schätzung H. Scheer) entstanden sein. Umgekehrt hat die Bundesregierung ihre Vereinbarung genau eingehalten, sogar soweit, daß sie eine Klage von deutschen Stadtwerken beim europäischen Gerichtshof gegen diese Wettbewerbsverzerrung nicht unterstützte. Die Frage, ob es überhaupt verfassungsgemäß ist, wenn eine Seite ihre vertraglichen Verpflichtungen erfüllt, und die andere sich einfach durch Berufung auf ein neues Regierungsprogramm kalt aller Verpflichtungen entzieht, soll ein Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof klären.

Wenn die Laufzeitverlängerung tatsächlich umgesetzt wird, könnte das nach Schätzungen des Freiburger Öko-Instituts nochmals Gewinne von 127 Milliarden Euro für die vier großen Konzerne RWE, Eon, EnBW und Vattenfall bedeuten, wovon nur 25% in der Form einer Brennelementsteuer an den Staat fließen würden2. Dafür bekäme die Bevölkerung 6000-8000 Tonnen zusätzlichen hochradioaktiven Müll „geschenkt“, von dem gesteigerten Risiko von Unfällen, wie sie eben von überalterten Atomkraftwerken ausgehen, ganz zu schweigen. Deutschland könnte sofort mehrere Atomkraftwerke stilllegen, ohne Strom zu importieren. Denn im ersten Halbjahr 2010 wurde ein keine Laufzeitverlängerung deutscher Atomkraftwerke! Stromüberschuß von elf Milliarden Kilowatt exportiert, das ist eine Energiemenge, die der Produktion von sieben AKWs entspricht, und man daher mit dem Abschalten gleich beginnen könnte.

1) Bundesverband Solarwirtschaft, 13.Oktober 2009
2) Frankfurter Rundschau, 6.9.2010

Christiane Schmutterer
(Neue Argumente Ausgabe 116, November 2010)

Seite drucken