Arge Ja zur Umwelt, Nein zur Atomenergie



Naturverbrauch reduzieren - nachhaltiger Umgang mit den Ressourcen

Grundlagen einer Sonnenökonomie

Hans P. Aubauer, Universität Wien

Vom solaren zum fossilen Zeitalter: In ihrer Millionen Jahre lange Geschichte waren die Menschen auf die Versorgung mit erneuerbaren Ressourcen angewiesen. Auf nachwachsende Naturprodukte, wie etwa Nahrung, Energie, oder Materialien, die die von fruchtbaren Böden getragenen Ökosysteme aus der Sonne gewannen. Die Anzahl der Menschen und ihre materielle Versorgung waren in diesem Sonnenzeitalter durch die Bodenfläche des Gebietes begrenzt, in dem sie lebten. Sobald ihr Ressourcenverbrauch diese Grenze des dauernd aufrecht erhaltbaren Bodenertrages überschritt, brach er unter diese Grenze zusammen, etwa durch Hungersnöte, die wiederum Krankheiten oder Kriege auslösten. 

Unterbrochen wurde diese Abhängigkeit von der jährlichen Sonneneinstrahlung durch die intensive Ausbeutung der in  Fossilien gespeicherten Sonnenenergie seit der industriellen Revolution. Mit ausreichend viel Energie konnten in großem Ausmaß nicht erneuerbare mineralische Rohstoffe ausgebeutet werden und der landwirtschaftliche Ertrag vervielfacht werden. Mit dem Energieengpass verschwand auch der Nahrungs- und der Stoffengpass. Die Anzahl der Menschen und ihr Verbrauch an Naturschätzen wuchs um ein Vielfaches dessen, was die Natur auf Dauer hervorzubringen vermag. Heute wären mehr als zehn Erdplaneten nötig, um den Naturverbrauch der Menschheit dauernd befriedigen zu können. Und die erforderliche Planetenzahl steigt rasch. Denn die Anzahl der Menschen wächst, so wie ihr individueller Verbrauch.

Der Bodenertrag sinkt aber unumkehrbar, wenn im Mittel mehr verbraucht wird, als der Boden dauernd hervorbringen kann. Denn die überlastete Natur bricht zusammen. Die Belastung erhöht dabei die Belastung: So kann die Erderwärmung die Erderwärmung verstärken, weil etwa immer mehr der Treibhausgase Wasserdampf (durch Verdunstung) oder Methan (vom Meeresgrund oder Permafrostböden) durch die Erwärmung in die Atmosphäre gelangen. Das Artensterben senkt die Anpassungsfähigkeit der Ökosysteme, wodurch das Artensterben zunimmt. Ausgebeutete Böden sind weniger belastbar und degradieren daher immer mehr. Der dauerhafte Ertrag erneuerbarer Ressourcen nimmt ab. Auf ihn sind aber die Menschen angewiesen, die in Zukunft leben werden. Im Mittel setzt ein derzeit lebender Mensch Ressourcen auf Kosten sehr vieler zukünftig lebender Menschen durch.

Ökologischer Fußabdruck. Nachhaltiger Umgang mit den Naturschätzen, Ressourcenverbrauch reduzieren

Ökologische und soziale Ziele

Raschest muß daher von der Ausplünderung von Bodenschätzen zur dauernd aufrecht erhaltbaren Nutzung erneuerbarer Naturprodukte übergegangen werden. Ein sowieso unvermeidlicher Übergang. Denn er wird entweder unfreiwillig stattfinden, als Zusammenbruch des übersteigerten Verbrauches auf einen bis dahin sehr stark gesunkenen dauerhaften Bodenertrag, oder freiwillig als optimierte schrittweise Absenkung des gegenwärtigen Verbrauches auf ein noch relativ hohes Niveau dieses Ertrages. Der Verbrauch von Naturprodukten lässt sich in die fruchtbare Bodenfläche umrechnen, die erforderlich ist, um ihn mit erneuerbaren Quellen/Senken dauernd bereit stellen zu können[1]. Der in Fläche umgerechnete Verbrauch von Naturgütern der Menschheit muß innerhalb dreier Jahrzehnte schrittweise auf das vorhandene Flächenangebot des einen Erdplaneten, also unter ein Zehntel reduziert werden, wenn diese gerecht zwischen den Generationen aufgeteilt werden sollen. Länger darf es nicht dauern. Sonst nehmen Naturkatastrophen uns jeglichen Gestaltungsspielraum.Ressourcen im Ausverkauf?!

Diese Reduktion des weltweiten Verbrauches von Naturschätzen verschärft aber die Konflikte um deren Verteilung zwischen den Ländern. Sie wiederum können nur vermieden werden, wenn der (in Fläche umgerechnete) Naturverbrauch der in einem Gebiet lebenden Bürger auf dessen Fläche begrenzt wird. Denn wenn der Flächenbedarf der Menschheit auf die Erdoberfläche begrenzt ist und die Bürger eines Landes mehr Naturprodukte verbrauchen, als dessen Fläche, zwingen sie die Bürger eines anderen Landes weniger Naturprodukte zu verbrauchen, als dessen Fläche. Naturprodukte dürfen nur mehr aus dem eigenen Land kommen, oder mit ihnen eingehandelt werden. Der weltweite Raubzug einiger Industrieländer um Ressourcen, nach dem Vorbild der U.S.A. muß ein Ende finden!

Wenn aber der Naturverbrauch der in einem Land lebenden Bürger schrittweise auf die Landesfläche reduziert wird, müssen die Naturprodukte auch gerecht zwischen diesen Bürgern aufgeteilt werden. Wie? Das Recht der Naturnutzung des Einen endet dort, wo dasselbe Recht des Anderen beginnt. Jedem Bürger muß daher ein und derselbe Anteil an der allen gemeinsamen Natur zugemessen werden. Wenn er indirekt über seinen Kauf von Gütern mehr Naturprodukte verbrauchen will, als der für alle gleiche Anteil, muß er sie von jenen kaufen, die er damit zwingt, weniger Naturprodukte zu verbrauchen.

Flächenverbrauch und Reduktion des Ressourcenverbrauchs - Änderung der Anreize durch Kostenwahrheit

Verursachergerechte Preise

Das kann aber nur gelingen, wenn die Rahmenbedingungen, denen die Wirtschaft ausgesetzt ist, so verändert werden, dass Gewinne ausschließlich auf die vorgeschlagene ökologische und soziale Weise möglich sind. Wie ist dies möglich? Nur wenn die Preise der Güter und vor allem deren Unterschiede stimmen, weil diese steuern eine freie Wirtschaft. Aus dem Durchschnitt der Preise folgt, wie viele Güter und aus ihren Differenzen, welche Güter gekauft werden. Vor allen von den Preisdifferenzen geht gegenwärtig aber eine grobe Fehlsteuerung in Richtung Naturverschwendung und Arbeitslosigkeit auf Kosten kommender Generationen und ärmerer Bürger aus. Denn ein Käufer zahlt mit den Preisen nur einen sehr kleinen Bruchteil der Kosten, die er verursacht. Der nicht bezahlte Teil wird auf die gegenwärtige und zukünftige Gesellschaft abgewälzt und als „externe Kosten“ betriebswirtschaftlich nicht wirksam. So zahlen nicht die Autofahrer die Kosten der Beseitigung der Schäden (etwa Krebs durch Dieselruß), die sie anrichten, sondern die Allgemeinheit. Fahrradfahrer bleiben hingegen für ihren Dienst an der Gesellschaft ohne Belohnung.

            Externe Kosten haben zwei Eigenschaften: Sie können extrem groß sein und die bisherigen Preise vervielfachen (z.B. für Autofahrer), aber sie können die Preise auch stark verbilligen (z.B. Für Radfahrer). Die Berücksichtigung aller externen Kosten in den Preisen (ihre Internalisierung) verändert die Unterschiede zwischen den Preisen drastisch, jedoch nicht ihren Durchschnitt. Die externen Kosten haben zwei wesentliche Ursachen: Erstens ist der Produktionsfaktor Arbeit/Wissen viel zu teuer relativ zum Produktionsfaktor Ressourcen. Dadurch kommt es zur ungerechten Verteilung der Ressourcen zwischen den Generationen. Zweitens sind die Preise unabhängig vom Verbrauch. Dies verursacht die ungerechte Verteilung der Ressourcen zwischen den innerhalb der Generationen lebenden Bürgern. Die Arbeits- oder Lohnkosten sind zu hoch, weil sie proportional zu den Einkommen sind, die zusätzlich hoch besteuert sind. Die Kosten der Ressourcen sind zu niedrig, weil sie praktisch nur die Kosten der Arbeit enthalten, die erforderlich ist, um sie zu gewinnen. Sie berücksichtigen weder die Nachfrage der zukünftigen Generationen nach nicht erneuerbaren Naturprodukten, noch die Kosten der Beseitigung der Schäden, die durch ihre Nutzung entstehen.

Änderung der Anreize

Das ökologische Ziel der gerechten Ressourcenverteilung zwischen den Generationen kann nur erreicht werden, wenn der Produktionsfaktor Arbeit/Wissen billiger und der Produktionsfaktor Ressourcen teurer wird, ohne daß sich das mittlere Steuer- oder Preisniveau verändert. Eine genauere eigene Analyse zeigt, dass sowohl das ökologische, als auch das soziale Ziel der gerechten Naturverteilung zwischen den Bürgern nur erreicht werden kann, wenn die Löhne und Einkommen schrittweise mit Geldmitteln angehoben werden, die von einer Verteuerung der Naturschätze stammen.

Beispielsweise könnte die Primärenergie schrittweise immer mehr besteuert werden. Das Steueraufkommen könnte durch die Anzahl von Bürgern geteilt und an jeden von ihnen in gleichem Ausmaß zurück gezahlt werden[2]. Für Durchschnittsverbraucher bliebe dies ohne Folgen. Die Rückzahlung würde ihre Energiepreissteigerung gerade abgelten. Jene aber, die überdurchschnittlich Energie verbrauchten, würden über ihre Energiekosten mehr in den gemeinsamen Topf einzahlen, als sie ausgezahlt bekämen. Jene, die weniger, als im Mittel verbrauchen, würden zusätzliches Geld gewinnen. Die sich verteuernden energieintensiven Güter würden schrittweise durch billiger werdende arbeits- und wissensintensive verdrängt. Ändern würden sich die Unterschiede zwischen den realen Preisen, aber insgesamt würden wir nicht mehr zahlen. Dennoch bleibt ein Problem:  Die zur Absenkung des Verbrauches unter ein Zehntel erforderlichen Steuern wären utopisch hoch und ihre Zurückgabe mit einem Geldumlauf verbunden, der ein Vielfaches des gegenwärtigen ausmachen würde. Auch könnte bestenfalls der Verbrauch von Energie, nicht aber der der übrigen Naturprodukte, etwa von Materialien, oder Böden auf diese Weise gesenkt werden.

Die angestrebte Änderung der Preisunterschiede kann aber auch direkt und ohne zusätzlichen Geldumlauf erreicht werden: Dazu werden Zertifikate in der Höhe des geplanten Naturschätzeverbrauches auf die Bürger in gleichem Ausmaße aufgeteilt. Jede und jeder bekommt dieselbe Zertifikatsmenge. Beim Kauf eines Gutes wird mit Geld gezahlt, entsprechend seinem Preis, sowie mit Zertifikaten, entsprechend seinem Ressourcenverbrauch. Dazu wird jedes Produkt und Dienstleistung vom Produzenten mit zwei Kennzahlen markiert, mit seinem Preis in Geldeinheiten und mit der Ressourcenmenge in Flächeneinheiten, die während seiner Lebensdauer (Produktion, Nutzung, Reparatur, Wiederverwertung, Entsorgung etc.) verbraucht wird. Der Produzent muß dabei nur seinen eigenen Produktionsschritt bewerten. Denn er kann auf der Kennzeichnung der von ihm verwendeten Vorprodukte und Rohstoffe aufbauen und braucht sie nur zusammenzählen. Im Grunde änderte sich dabei für ihn nicht viel. Heute ermittelt der Produzent vor allem den Anteil der teuren Arbeit an seinem Produktionsschritt, um sie „wegrationalisieren“ zu können. In Zukunft würde analog statt der Arbeit der teure Naturverbrauch wegrationalisiert.

Die Ausgabe von Ressourcenzertifikaten und die Kennzeichnung der Güter mit ihrem Naturverbrauch bewirkt Folgendes: Wenn jemand indirekt über seine Käufe so viele Ressourcen verbraucht, wie die vorgegebene Durchschnittsmenge, ändert sich für ihn gar nichts. Er erhält genau so viele Zertifikate, als er für alle seine Käufe braucht. Wenn er aber mehr Ressourcen verbrauchen will, dann fehlen ihm Zertifikate. Er muß sie von jenen kaufen, die er damit zwingt, weniger, als die vorgegebene Ressourcenmenge zu verbrauchen. Die Zertifikate bekommen als Rechte auf Naturverbrauch einen Kaufpreis und werden gehandelt, ge- und verkauft, nicht nur die Güter. Die Zertifikate werden zu der vielfach vorgeschlagenen lokalen, nichtinflationären, bodengebundenen zweiten Währung, zu einem Ressourcengeld, das jederzeit und überall in normales Geld getauscht oder mit ihm gekauft werden kann, auch beim Güterkauf direkt. Wem zwei Währungen lästig sind, kann den Geldwert des zugewiesenen Ressourcengeldes von der Bank abheben und beim Kauf allein mit Geld zahlen. Die beim Erwerb eines Gutes für den Preis und die Zertifikate gezahlte Geldmenge kann einem Gesamtpreis gleich gesetzt werden. Dieser Gesamtpreis hängt erstens vom Verhältnis des Einsatzes der beiden Produktionsfaktoren Arbeit/Wissen und Ressourcen des Gutes ab,  zweitens vom individuellen Ressourcenverbrauch.

Mit der ersten Abhängigkeit wird das ökologische Ziel der gerechten Naturverteilung zwischen den Generationen erreicht: Arbeits- und wissensintensive Güter werden billiger und verdrängen die teurer werdenden ressourcenintensiven. Der reale Preisdurchschnitt bleibt gleich. Die Löhne/Einkommen steigen, sowie die Preise der Ressourcen. Damit steigt die Nachfrage nach Arbeit bis zur Vollbeschäftigung. Weder der Wohlstand, noch das Sozialprodukt sinkt! Der Produktionsfaktor Ressourcen wird schrittweise durch den Produktionsfaktor Arbeit/Wissen ersetzt. Es wird sich zeigen, daß Gewinne nicht nur mit der Ausbeutung der Natur, sondern ebenso mit ihrer Bewahrung gemacht werden können.

Mit der zweiten Abhängigkeit wird das soziale Ziel der gerechten Verteilung der Naturschätze zwischen den Bürgern erreicht. Die Preise der Güter bleiben für jene unverändert, die so viel Natur verbrauchen, als als externes Ziel vorgegeben wurde. Die Preise steigen jedoch für jene, die mehr Natur verbrauchen. Dagegen sinken sie für jene, die weniger Natur verbrauchen. Die Natureffizienten können kostenlos erhaltenes Ressourcengeld verkaufen. Sie werden für ihr soziales und ökologisches Verhalten finanziell belohnt. Das geht so weit, daß das Preisniveau für jemanden auf null sinkt, der nicht mehr als eine bestimmte Maximalmenge an Natur verbraucht. Es entsteht eine Grundversorgung mit Gütern, die vermeidet, daß sich die Armen teuer gewordenen Naturprodukte nicht leisten können. Es ist eine Grundversorgung für die wichtige Leistung, besonders wenig Natur zu nutzen, die von jenen bezahlt wird, die mehr Natur nutzen, als ihnen zusteht. Damit sorgt die Selbststeuerung der Wirtschaft von sich aus für soziale Gerechtigkeit. Umverteilungen vom reich zu arm über progressive Lohn-/Einkommenssteuern oder Direktzahlungen werden überflüssig. Bildung, Kunst, Kultur, Wissenschaft, Beschäftigung mit Kindern und miteinander werden wieder lohnend und verdrängen die gnadenlose Konkurrenz um die billigste Produktion von Ramsch ohne Rücksicht auf Menschen und Natur.

Wenn Länder die Anreize auf die vorgeschlagene Weise ändern, gewinnen deren Bürger. Über Nachahmungen kann dies einen globalen Wandel auslösen. Jedoch nur, wenn die Anreizänderung nicht durch den Import billiger ressourcenintensiver Produkte und ein Bevölkerungswachstum unterlaufen wird. Jedenfalls müssen im Ausland hergestellte und importierte Güter daher dieselben Bedingungen erfüllen, wie im Inland hergestellte. 


(Neue Argumente Ausgabe 100, 5/2004)Ressourcenzertifikate - ein Weg zu einem nachhaltigen Umgang mit den Naturschätzen und zu sozialer Gerechtigkeit
[1] Wackernagel, M., Rees, W. E., 1996. Our Ecological Footprint: Reducing Human Impact on the Earth. New Society Publishers,  Gabriola Island, British Columbia, Canada.
[2] Ökobonus: VCS., 1985. Verkehrs-Club der Schweiz, Beat Schweingruber et.al. .Öko-Bonus. Bahnhofstraße 8, CH-3360 Herzogenbuchsee.

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